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Personenbedingte Kündigung

Personenbedingte Kündigung

Im allgemeinen ist Krankheit kein die Kündigung rechtfertigender Umstand; andererseits genießt der Arbeitnehmer wegen der Erkrankung keinen besonderen Kündigungsschutz. Dem arbeitsrechtlichen Krankheitsbegriff unterfallen auch psychosomatische Erkrankungen, Trunk-und Drogensucht.

Die Kündigung wegen Krankheit erfordert die Abwägung der wechselseitigen Interessen, wobei ein strenger Maßstab an die Zulässigkeit der Kündigung anzulegen ist. Es sind drei Grundtypen der Kündigung wegen Krankheit zu unterscheiden:

Kurzerkrankungen

Die Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen. Die Voraussetzungen der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen haben wir für Sie einmal zusammengefasst.

1. Negative Gesundheitsprognose

Zunächst bedarf es einer negativen Gesundheitsprognose hinsichtlich des zukünftigen Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers. Es müssen weitere krankheitsbedingte Fehlzeiten zu erwarten sein. Wichtigste Grundlage der negativen Gesundheitsprognose sind die Fehlzeiten des Arbeitnehmers in der Vergangenheit. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar die richterliche Festlegung einer festen, bezifferten Fehlquote abgelehnt, aus den bisherigen Urteilen des Bundesarbeitsgerichts ist jedoch deutlich erkennbar, dass das Über­schreiten einer Fehlzeitenquote von 15 bis 20 % der jährlichen Arbeits­tage den Arbeitsplatz gefährdet, wenn dieser Zustand über mehrere Jahre ( mindestens 3 Jahre hintereinander) andauert.

Sind dem Arbeitgeber die Ursachen der bisherigen Erkrankungen unbekannt, dann dient allein die Häufigkeit der Kurzerkrankungen in der Vergangenheit als Indiz für die Zukunftsentwicklung.


2. Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen

Weiterhin muss durch die prognostizierten krankheitsbedingten Ausfall­zeiten eine Beeinträchtigung der betrieblichen Belange vorhersehbar sein. Einen entsprechenden Rückschluss lassen schwerwiegende Störungen im Betriebsablauf und/oder erhebliche wirtschaftliche Belastungen des Arbeit­gebers durch hohe Lohnfortzahlungskosten in der Vergangenheit zu. Hierbei ist auch zu prüfen, ob die Möglichkeit der Umsetzung auf einen anderen freien Arbeitsplatz, auf dem keine oder deutlich geringere Beein­trächtigungen mehr zu erwarten sind, besteht. In diesem Falle führt nämlich die Krankheit nicht zu einer erheblichen Störung der betrieblichen Belange.
 

  • Betriebsablaufstörungen sind jedoch nur als Kündigungsgrund geeignet, wenn sie nicht durch mögliche Überbrückungsmaßnahmen vermieden werden können ( zum Beispiel durch Aushilfskräfte oder Personalreserve ). Nur wenn die Betriebsablaufstörungen trotz Überbrückungsmaßnahmen nicht zu vermeiden sind, sind sie ein Kündigungsgrund. Betriebsablaufstörungen sind auch die Über­lastung der verbliebenden Mitarbeiter oder der Abzug von an sich in anderen Bereichen benötigten Arbeitskräften.
  • Als Kündigungsgrund kann auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers z.B. durch immer neue außergewöhn­lich hohe Lohnfortzahlungskosten geeignet sein. Von außerge­wöhnlich hohen Lohnfortzahlungskosten kann ausgegangen werden, wenn diese für jährlich einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind.


Hierbei ist jedoch zu beachten, dass während sämtlicher Lohnfortzahlungszeiträume prognosefähige Krankheitsursachen vorgelegen haben müssen, denn es können nur die Lohnfortzahlungskosten berücksichtigt werden, die auf die auch in Zukunft zu erwartenden, im Rahmen der negativen Gesundheitsprognose ermittelten Ausfallzeiten entfallen. Danach haben die Kosten außer Betracht zu bleiben, die der Arbeitgeber für einmalige Erkrankungen (Unfälle, Operationen), deren Wiederholung nicht zu erwarten ist, in der Vergangenheit aufgewendet hat. Für die Prognose der
zu erwartenden wirtschaftlichen Belastung müssen auch die Ausfallzeiten unberücksichtigt bleiben, für die keine Lohnfortzahlungspflicht mehr besteht, weil Krankengeld von der Krankenkasse gezahlt wird. Dieser Zeitraum ist nämlich für die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten irrelevant.


3. Interessenabwägung


Als dritter Schritt ist die Abwägung der Interessen beider Vertragspartner erforderlich:

Sind dem Arbeitgeber die Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses und eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters noch zuzumuten? Zugunsten des Arbeitgebers sind dabei zu berücksichtigen: 
 

  • geringe Betriebszugehörigkeitsdauer;
  • jüngeres Lebensalter;
  • noch lange Beschäftigungszeit zu erwarten, wenn Kündigung jetzt
    nicht erfolgt;
  • geringe oder keine Unterhaltspflichten;
  • Belastung des Arbeitsverhältnisses mit hohen Fehlzeiten seit langer Zeit, evtl. von Anfang an;
  • die Fehlzeiten des Arbeitnehmers übersteigen die Ausfallquote vergleichbarer Arbeitnehmer.

Zugunsten des Arbeitnehmers sind zu berücksichtigen:
 

  • Erkrankungen beruhen auf betrieblichen Ursachen;
  • lange Betriebszugehörigkeit;
  • hohes Lebensalter;
  • nur noch geringe Beschäftigungsdauer zu erwarten bis zum Rentenalter;
  • hohe Unterhaltsverpflichtungen;
  • geringe Fehlzeiten in der Vergangenheit.

Das Vorhalten einer Personalreserve stellt eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers dar, da hierfür neben den Lohnfortzahlungskosten noch zusätzliche Kosten entstehen. Das Vorhandensein einer Personalreserve ist daher in der Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

Langzeiterkrankungen

1. Negative Gesundheitsprognose

Auch bei Langzeiterkrankungen ist eine negative Prognose hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers erforderlich. Wenn bei der lang andauernden Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Betroffenen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, liegt eine negative Gesundheitsprognose vor.


2. Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen

Langzeiterkrankungen von Mitarbeitern verursachen in der Regel keine betrieblichen Ablaufstörungen und auch keine erheblichen wirtschaftlichen Belastungen.

Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch mittlerweile entschieden, dass eine langanhaltende Krankheit eine Kündigung ohne Rücksicht auf zusätzliche wirtschaftliche Betastungen des Arbeitgebers zu rechtfertigen vermag. Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss und hat die Krankheit bereits längere Zeit angedauert, dann kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden. In diesem Fall hat das Bundesarbeitsgericht die Ungewissheit über die Dauer der Erkrankung gleichgestellt mit dem dauernden, gesundheitsbedingten Unvermögen, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (Untaug­lichkeit) .

Der Arbeitgeber kann also ohne Vorliegen von hohen Lohnfortzahlungs­kosten oder konkreten Störungen im Arbeitsablauf kündigen, falls die weitere Krankheitsdauer eines Langzeiterkrankten völlig ungewiss ist oder dessen Genesung überhaupt nicht absehbar ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat auch die krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers als zulässig erachtet, der aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich nicht mehr zu kündigen war. Der Arbeitgeber konnte hier eine außerordentliche Kündigung wegen Krankheit aus­sprechen.

Um von dem Arbeitnehmer Informationen über die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit zu erhalten, wird häufig und zur Vermeidung von Prozessrisiken auch langzeiterkrankten Mitarbeitern ein "Krankenbrief" übersandt.

Der Arbeitnehmer ist jedoch - wie bei den Kurzzeiterkrankungen - nicht verpflichtet, Auskunft über die Krankheitsursache zu geben. In diesem Fall ist es als Kündigungsgrund von der Rechtsprechung aner­kannt, wenn der Arbeitnehmer zur Zeit der Kündigung noch langanhaltend krank ist und die Wiederherstellung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgesehen werden kann.
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Der Erfolg einer dem Arbeitnehmer bewilligten Kur- und Heilbehandlung ist jedenfalls abzuwarten. Kündigt der Arbeitgeber vor dem Antritt der bereits bewilligten Kur- und Heilbehandlung, so wird die Kündigung zu diesem Zeitpunkt bereits sozialwidrig sein.
 
Eine Kündigung wegen langanhaltender Krankheit ist um so eher begründet, wenn nicht abzusehen ist, ob der Arbeitnehmer gesundheitlich überhaupt wiederhergestellt werden wird oder wenn die Erkrankung so schwerwiegend ist, dass die Arbeit - sei es die bisher geleistete, sei es eine anders geartete - in Zukunft ohnehin nicht mehr aufgenommen werden kann.


3. Interessenabwägung

In der abschließenden Interssenabwägung ist nur bei Vorliegen einer ganz besonderen Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters ( z. B. ein hohes Lebensalter des Betroffenen, eine zuvor extrem lange Dauer eines völlig unge­störten Bestandes des Arbeitsverhältnisses, Berentung beantragt und zu erwarten) eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der erheblichen Störung denkbar. Ansonsten überwiegt das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers

Gesundheitliches Unvermögen

Kündigung wegen dauernder Leistungsunfähigkeit ("Untauglichkeit")

Auch für den Fall der Kündigung wegen dauernder Leistungsunfähigkeit für die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit gilt der dreistufige Prüfungsaufbau:
 

  • Negativprognose
  • erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
  • Interessenabwägung


1. Negativprognose

Wie auch bei den Langzeiterkrankungen stellt das Bundesarbeitsgericht darauf ab, ob zum Zeitpunkt der Kündigung davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen kann.

Es ist ausreichend, wenn mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer gänzlich arbeitsunfähig ist oder wird; es reicht aus, wenn er nur noch in begrenztem Umfang eingesetzt werden kann, wobei es sich um eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit in quantitativer, qualitativer oder zeitlicher Hinsicht handeln muss.

Dies kann z. B. ein Ergebnis der Untersuchung des betriebsärtzlichen Dienstes zur Feststellung der Tauglichkeit von Betriebsbediensteten sein. In diesen Fällen sind Arbeitnehmer beispielsweise "nur" für die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit “untauglich", sie sind jedoch nicht generell arbeitsunfähig. Dies kann ebenso bei einer durch die Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers bedingten Minderleistungsfähigkeit gelten.


2. Betriebliche Beeinträchtigungen


Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass in den Fällen, in denen Arbeitnehmer auf Dauer unfähig sind, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, eine betriebliche Beeinträchtigung vorliegt. Weitergehende Beeinträchtigungen müssten in derartigen Fällen einer krankheitsbedingten Kündigung wegen dauernder Unmöglichkeit nicht dargetan werden.

Der Arbeitgeber wird in solchen Fällen jedoch zu überprüfen haben, ob nicht die Beschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz möglich ist, für den die “Resttauglichkeit" des Betreffenden genügt, d. h. auf einem Arbeits­platz, der den festgestellten eingeschränkten Tauglichkeitsmerkmalen des Arbeitnehmers gerecht wird.

Der Arbeitgeber hat deshalb gegebenenfalls zum Zwecke der anderweitigen Verwendung des Arbeitnehmers eine Änderungskündigung auszusprechen, bevor er eine Beendigungskündigung erklärt.

Steht fest, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen kann und ist ein Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz erfolglos geprüft worden, so ist schon aus diesem Grunde das Arbeitsverhältnis auf Dauer ganz erheblich gestört. Zum einen muss der Arbeitgeber damit rechnen, dass der Arbeitnehmer auf Dauer außerstande ist, die von ihm geschuldete Leistung zu erbringen, zum anderen liegt eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert wird, sein Direktionsrecht auszuüben. Er kann den Arbeitnehmer schon allein hinsichtlich der Bestimmung von Zeit und Reihenfolge der Arbeit nicht mehr frei einsetzen.

Die erheblich betriebliche Beeinträchtigung des Arbeitgebers liegt somit auf der Hand.


3. Interessenabwägung


Vor allem bei nur teilweiser Arbeitsfähigkeit spielen die übrigen Umstände des Einzelfalles eine besonders große Rolle. Dabei wird insbesondere durch das Gericht geprüft, ob der Arbeitgeber die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen billigerweise noch hinnehmen muss, wobei alle wesentlichen Umstände, insbesondere auch die Ursache der Erkrankungen, der Verlauf des Arbeitsverhältnisses, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers berücksichtigt werden.

Es erfolgt sodann eine Abwägung dieser Umstände mit dem Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Betriebliches Eingliederungsmanagement

Das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement ist in § 84 Abs. 2 SGB IX geregelt:

"Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwer behinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.“

Für den Arbeitgeber ist es sinnvoll, dieses ordnungsgemäß durchzuführen, weil dann für ihn in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess nach einer wegen Krankheit ausgesprochenen Kündigung die Darlegungslast, dass andere mögliche Maßnahmen nicht zumutbar waren, erleichtert wird.  Fehler können in diesem Verfahren zahlreich gemacht werden. Das fängt bereits beim Einladungsschreiben an, das bestimmte Inhalte haben muss.

Für den Arbeitnehmer muss jeweils individuell abgewogen werden, ob eine Teilnahme an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement eher sinnvoll oder aber möglicherweise schädlich ist.

 Um hier Rechtssicherheit zu erlangen und im Verfahren Fehler zu vermeiden ist es grundsätzlich sinnvoll, rechtlich fundierte  Beratung einzuholen und rechtssichere Verfahren zu entwickeln.

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